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Volkswagen steht aktuell vor einer der grössten Krisen seiner Geschichte. Der deutsche Automobilkonzern plant die Schliessung mehrerer Werke und den Abbau von bis zu 10'000 Arbeitsplätzen in Deutschland. Die Hintergründe dieser drastischen Massnahmen sind komplex und vielschichtig und verdeutlichen die tiefgreifenden strukturellen Probleme, mit denen VW konfrontiert ist. Prof. Anja Schulze, Direktorin des Swiss Center for Automotive Research und Professorin an der Universität Zürich, beleuchtet die Ursachen und Folgen dieser Krise.
Schwache Absatzmärkte und Überkapazitäten
Volkswagen kämpft in Europa mit schwachen Verkaufszahlen. Der Markt zeigt kein Wachstum, während die Produktionskapazitäten des Konzerns sowohl für Verbrenner- als auch für Elektrofahrzeuge deutlich über dem Bedarf liegen. Diese Überkapazitäten führen zu einer ineffizienten Auslastung der Werke und treiben die Kosten in die Höhe. Der europäische Markt bietet derzeit wenig Spielraum für eine Absatzsteigerung, was die strukturellen Probleme bei VW weiter verschärft.
Verlust des chinesischen Marktes
Besonders problematisch für VW ist der Verlust seiner Marktführerschaft in China. Jahrzehntelang war der chinesische Markt ein Garant für hohe Gewinne, die auch in die europäischen Märkte investiert wurden. Doch in den letzten Jahren hat VW in China erheblich an Boden verloren. Der Marktanteil des Konzerns ist auf unter 15 Prozent gesunken. Gründe dafür sind die rasante Entwicklung der Elektromobilität und die steigende Beliebtheit heimischer Marken in China. Während chinesische Hersteller Elektroautos mit fortschrittlichen digitalen Funktionen und Unterhaltungssystemen anbieten, hinkt VW in diesem Bereich hinterher.
Managementversäumnisse und späte Reaktion auf Elektromobilität
Laut Prof. Schulze sind Managemententscheidungen und eine verspätete Reaktion auf den Elektromobilitätsboom mitverantwortlich für die aktuelle Krise. Tesla und andere Pioniere der Elektromobilität wurden lange nicht ernst genommen, und VW hielt zu lange an der Verbrennertechnologie fest. Auch die Entscheidung, Batterien nicht selbst zu produzieren, sondern aus China zu importieren, hat die Abhängigkeit von externen Lieferanten verstärkt. Die Batterieproduktion macht etwa 30 bis 40 Prozent der Fahrzeugkosten aus und ist ein essenzieller Faktor im Wettbewerb um Elektrofahrzeuge.
Herausforderungen im europäischen Markt
In Europa ist VW zusätzlich mit politischen Rahmenbedingungen konfrontiert. Die EU und nationale Regierungen drängen zunehmend auf die Senkung der CO₂-Emissionen, was VW zu einer kostspieligen Umstellung zwingt. Laut Prof. Schulze war es wohl notwendig, dass externe Akteure wie die Regierung in den Markt eingreifen, um die Elektromobilität voranzutreiben. Dennoch fällt es VW schwer, die hohen Umstellungskosten zu bewältigen und gleichzeitig wettbewerbsfähige Elektrofahrzeuge zu produzieren.
Fazit: Ein steiniger Weg in die Zukunft
Die Krise bei Volkswagen ist das Ergebnis struktureller Probleme, strategischer Fehleinschätzungen und einer veränderten Marktlandschaft. Um wieder wettbewerbsfähig zu werden, muss VW seine Strategie überdenken und sich konsequent auf Elektromobilität und Digitalisierung ausrichten. Prof. Schulze sieht die Herausforderung als gross, aber nicht unüberwindbar. VW steht an einem Wendepunkt, und die kommenden Jahre werden entscheiden, ob der Konzern seine Position als einer der weltweit führenden Automobilhersteller halten kann.
Die Zukunft von VW hängt davon ab, wie schnell und konsequent das Unternehmen auf die aktuellen Herausforderungen reagiert. Klar ist jedoch, dass VW grundlegende Veränderungen vornehmen muss, um sich im globalen Automobilmarkt neu zu positionieren.
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